Sabine Leidig
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Redetext

„Showdown im Wald“ titelt eine Regionalzeitung und meint die Aktion „Wald statt Asphalt“:
8. Oktober 2019

Im Dannenröder Wald im Mittelhessischen, zwischen Marburg und dem Vogelsberg sollen demnächst über 100 Hektar (die Fläche von 150 Fußballfeldern) gerodet werden. In diesem schönen Mischwald wachsen viele Buchen – nicht wenige seit 300 Jahren. Der Bestseller „Die Geheime Sprache der Bäume“ hat die Wunder des Waldes für uns entschlüsselt und erklärt, warum Wald eine Quelle für gutes Leben ist und nicht einfach ein Rohstofflager der Holzwirtschaft. Dieser Wald birgt auch Quellen für gutes Wasser: das Wasserschutzgebiet Gleental versorgt die Region und sogar Teile von Frankfurt mit Trinkwasser. Und weil seit 2003 zu wenig Regen fällt, um die Grundwasserreserven aufzufüllen, wird dieses Wasser immer bedeutsamer.

Warum soll dieser Naturschatz zerstört werden? Weil Bund und Land ein weiteres Stück Autobahn bauen wollen – die A49. Warum? Auf der Internetseite des Projektträgers DEGES sind folgende Schlagworte zu lesen: … transeuropäisches Verkehrswegenetz … das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes … Abbau von Kapazitätsengpässen … Sicherstellung angemessener Standortqualitäten … .Dazu steht auch der zuständige Minister Al-Wazir (Bündnis90/Die Grünen) der über Klimaschutz redet, aber nicht danach handelt. Dabei ist die Zeit mehr als reif für eine ganz andere Wirtschafts- und Verkehrspolitik. Auf die Frage, was ihnen mit Blick auf die zukünftige Entwicklung des Verkehrs am wichtigsten ist sagen 10% „wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit“, 40% „vor allem „kostengünstig und bequem Wege zurücklegen“ und 50 % wollen „Umwelt und Klima möglichst wenig belasten“ (!).

Im Fernsehen spricht ein Marburger Unternehmer von 100 Lastwagen, die täglich seine Firma verlassen. Warum gibt es da keinen Gleisanschluss?! Möchte ich fragen … und: was wird da eigentlich warum und wohin transportiert? Nach 1990 schnellte die so genannte Fahrleistung von Lkw in Deutschland von 33 Milliarden Kilometer pro Jahr auf 60 Milliarden in 2010 und auf 70 Milliarden 2017 … wahnsinniges Verkehrswachstum auf der Straße, Tendenz ungebrochen. Ganz zu schweigen vom Autoverkehr der von 430 auf 650 Milliarden Kilometer pro Jahr angeschwollen ist. In derselben Zeit sind bundesweit 250.000 Kilometer neue Straßen betoniert worden, das Schienennetz aber wurde um mehrere Tausend Kilometer verkleinert. Wohin soll diese Reise gehen? Wer profitiert und wer verliert? Abgesehen von den enormen Belastungen (Lärm, Unfälle, Luftverschmutzung …) geht es inzwischen buchstäblich ums Ganze, weil dieser Verkehr die Lebensgrundlagen der Menschheit untergräbt.

Deshalb hat Dannenröder Wald eine kleine Schar junger Menschen einige Baumhäuser errichtet, um den Wald zu besetzen und vor dem Kahlschlag zu retten. So bekommt die Bürgerinitiative, die sich seit 20 Jahren bemüht, die Natur vor der Autobahn zu schützen, tatkräftige Unterstützung. Unter den Waldbesetzer*innen sind Studierende die sich tageweise Zeit abknapsen, einzelne haben ihr Leben ganz auf die Rettung von Bäumen ausgerichtet und manche sind Berufstätige die ihren Jahresurlaub hier verbringen. Ein großer persönlicher Einsatz, denn das Ausharren auf einer kleinen Plattform in 20 Metern Höhe ist kein spaßiges Abenteuer, sondern eine anstrengende und entbehrungseiche Angelegenheit. Die Aktion „Wald statt Asphalt“ hat öffentliche Aufmerksamkeit und Zuversicht neu geweckt: Hunderte beteiligen sich an solidarischen Waldspaziergängen, örtliche Handwerker bringen Baumaterial, Bauern laden zum Campen auf ihre Wiesen ein, Nachbarn bieten warme Stuben und heiße Duschen, Försterfamilien, Betriebsräte, Künstlerinnen, Leute aus der Verwaltung mit ihren Kindern … viele haben verstanden, dass die sozialökologische Verkehrswende jetzt und hier auf den Weg gebracht werden muss.

Weiter machen wie bisher heißt einerseits die Klimakrise anheizen und andererseits das Vermögen der 10 % Reichsten vergrößern, während die Vielen am unteren Ende der Einkommensskale immer weniger Anteil haben. Besser: endlich innehalten, keine weiteren Autobahnkilometer bauen, nicht immer schneller und weiter, sondern anders. Mobil sein und eine gute Versorgung für alle sicherstellen – mit deutlich weniger Verkehr. Dass das geht ist vielfach bewiesen. Und auch zur A49 gibt es gute Alternativen: Bahn statt Auto, wenn der Personenverkehrs auf den Bahnlinien Kirchhain-Homberg und Alsfeld-Bad Hersfeld wieder aufgenommen und die Main-Weser- und die Vogelsbergbahn mit weiteren Haltepunkten und Begegnungsgleisen gestärkt wird – zum Beispiel. Güter müssen auf die Bahn (auch auf Nebenstrecken mit Einzelwagen); dafür braucht es mehr Güterverladestellen und die Umverteilung von Subventionen, die bisher den Lkw stützen. Und der Güterverkehr muss schrumpfen – auch in Hessen.  Die Perspektive ist, regionale Wirtschaft zu stärken und globale Ausbeutung zu beenden. Kurze Wege statt lange Fahrten sind für alle besser!

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