Eine Wahl ohne Wahlmöglichkeiten sei nicht wirklich eine Wahl, stellt Behrens fest. So machte sich der Kreisverband der Linken auf die Suche nach möglichen Kandidat:innen für die Landratswahl. Schließlich fragte Behrens seine Genossin Sabine Leidig – die beiden kennen sich aus der gemeinsamen Zeit im Bundestag – und die Hessin sagte zu.
Ungewöhnlich: Leidig wohnt aktuell nicht in der Region, sondern in Kassel. Für die Wahl zur Hauptverwaltungsbeamtin wäre das allerdings kein Hindernis. Die 59-Jährige sitzt bis zur kommenden Wahl noch für ihre Partei im Bundestag und ist dort verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion. Leidig gehört außerdem zum Fraktionsvorstand und koordiniert die Projektgruppe für soziologischen Umbau der Linken.
Hinter ihrer Kandidatur stehe vor allem die Idee, die Landratswahl zu politisieren, sagt Leidig. „Wir möchten, dass die Wählerinnen und Wähler sich mit der Frage beschäftigen, wie die Zukunft im Landkreis aussehen soll. Das passiert nicht, wenn die Wahl nur eine Routineübung ist.“ Herbert Behrens stimmt zu: „Ein ‚Weiter so‘ darf es nicht geben, wir brauchen eine Neuausrichtung.“
Ideen hat die gebürtige Heidelbergerin mehr als genug. Ihr schwebt ein „sozial-ökologischer Umbau“ der Gesellschaft vor, um der Klimakrise zu begegnen. „Forscher sind sich einige, dass uns noch ein Fenster von ungefähr zehn Jahren bleibt, wenn wir verhindern wollen, dass bestimmte Kipppunkte erreicht werden. Wir haben keine Zeit mehr, einfach so weiterzumachen“, sagt Leidig.
Da ihre Expertise vor allem im Bereich Verkehr liegt, fangen dort auch ihre Forderungen an: Der Autoverkehr müsse halbiert werden. Dabei helfen soll ein massiv ausgebauter ÖPNV zum Nulltarif, finanziert durch eine Umlage. Die Pläne zur neuen B74 nennt Leidig „aberwitzig“ und „völlig verrückt“, auch die geplante A20 im Nachbarlandkreis lehnt sie ab. „Mehr Flächenversiegelung und Verkehr ist genau falsch“, sagt Leidig und kritisiert auch die Pläne, ein neues Logistikzentrum im Gewerbegebiet in Heilshorn anzusiedeln. „Wir müssen die Mobilität auf andere Füße stellen – und Fahrräder“, so die Kandidatin.
Weitere Schwerpunkte setzt Leidig bei der Energiegewinnung (am besten mit Windkraft, organisiert in einem gemeinnützigen, kommunalen Unternehmen), der Landwirtschaft (hier gelte es, einen regionalen Verbrauch der vor Ort erzeugten Produkte anzustreben) und dem sozialen Wohnungsbau (etwa auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne in Schwanewede). Vor allem aber wünsche sie sich, dass gute Ansätze, die bereits vorhanden seien, mehr wahrgenommen werden. „Die Kreisverwaltung kann nicht alles regeln. Aber wir können gucken, wo die Menschen sind, die uns voranbringen“, sagt Leidig. Wenn andere Akteure – vor allem auch der aktuelle Landrat – sich mit diesen Punkten im Wahlkampf auseinandersetzen müssten, sei schon viel gewonnen.